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GB Thrillers


 Abb. NN: ???
Hier unterscheiden wir zwischen exploitation-lastigen Filmen (Pete Walker, Norman J. Warren, James Kenelm Clarke, Joseph Larraz, Ray Austin) und eher stillen (Alastair Reid, Fred Burnley) bzw. anspruchsvollen Filmen (Sidney Hayers, Peter Collinson, Robert Fuest) – ohne daß wir in bereits hinreichend erforschte Bereiche vordringen wollen (Hitchcock, Polanski, Dearden, Clayton). Die Übergänge sind jedoch fließend: wer würde bezweifeln wollen, daß Walkers The Comeback das Zeug zu einem sehr ordentlichen Werk hat; umgekehrt finden wir bei Winners Henry James-Verfilmung zumindest eine voyeuristische Szene.
Der Fokus liegt auch in dieser Rubrik auf den 70ern, was nicht nur an meinem persönlichen Geschmack liegt, sondern daran, daß ein quantitativer Höhepunkt erreicht wurde und die Zeit der Co-Produktionen bzw der Flucht englischen Talents nach Hollywood noch nicht angebrochen war (siehe auch GB Action).
Man kann nach Jahrgängen vorgehen, aber auch nach directorial oeuvre. Ich habe mich für die zweite Möglichkeit entschieden.
Was geht als Thriller durch? Der Inbegriff eines solchen ist wohl Wait until Dark, der aber mehr nach Hollywood als nach GB aussieht. Inbegriff des BritThrillers sind mit Sicherheit auch die Hammer/Amicus-Filme, allen voran Dracula, Frankenstein, die Mumie, der Werwolf sowie die Karnstein-Trilogie, solche, die in den Bereich Fantasy/Übernatürliches/Horror hineinragen. Down to Earth-/Alltagshorror wie Fear in the Night, Taste of Fear etc. ist jedoch die weitaus wichtigere Subgattung.
Zusätzlich zu sonstigen Kriterien finden wir bei den britischen Vertretern wieder das offensichtlich begrenzte Budget und die daraus resultierende Notwendigkeit, dies mit Klasse des plots und der Darstellung wettzumachen. Maltin hält fest, daß sich britische Thriller typischerweise langsam aufbauen und am Ende mit einem Feuerwerk aufwarten. Brutalität ist eigentlich kein hervorstechendes Kennzeichen, aber die ersten vier genannten Regisseure halten sich nicht an diese Regel. Dies kann man kritisieren, aber warum der etablierten Kritik folgen? Ärgerlich ist in diesem Zusammenhang, daß z.B. Hahn/Jansen in ihrer Wertschätzung von The New York Ripper und And Soon the Darkness kaum Unterschiede machen – diese Stumpfheit schreit nach einer Richtigstellung.
Reids Baby Love (1968) ist mehr Drama als Thriller, und das nicht einmal besonders gut. Kein Wunder, denn die Vorlage ist ein Trivialroman von einer gewissen Tina Chad Christian. Nur für Enthusiasten. Von ganz anderem Kaliber ist sein The Night Digger, der das Kunststück fertigbringt, uns an das Schicksal zweier nicht sonderlich sympathischer Hauptfiguren zu fesseln. Something to Hide, nach einem Roman von Nicholas Monsarrat, wartet mit Shelley Winters auf, die zwar gut spielt, dabei immer aber auch ein bißchen nervt. Die für Reid typische relaxte Inszenierung nimmt sich viel Zeit für Exposition und Feinheiten in der Charakterisierung.
Larraz' Scream and Die kommt in der ersten Hälfte gar nicht aus den Socken, ist dafür danach umso besser. Woran es liegt, ist schwer zu sagen – Ford ist eindeutig kein Drehbuch-Wunderkind, aber Larraz zieht auch nicht gerade alle Register. Der Schnitt ist stellenweise unbeholfen, kann aber auch an der House That Vanished-Fassung liegen. Laut Martin/Potter ist Scream and Die 15 Minuten länger (und House gekürzt).
Vampyres ist bei wiederholtem Sehen etwas eintönig, was in der Hauptsache an Diana Daubeneys zum Himmel schreienden Dialog liegt – nach einem sinnvollen oder interessanten Satz sucht man vergebens, es hagelt Blabla und Plattheiten. Die Schauspielkunst von Marianne Morris hält sich ebenfalls in Grenzen. Die einzigen Könner, Michael Byrne und Sally Faulkner, haben undankbare Rollen. Fazit: Kultprogramm für Horror-Festival-Publikum, mehr nicht.
In Walkers The Flesh and Blood Show sind die eingestreuten, seltsam schlecht ausgeleuchteten Spannerszenen nur störend, da der Film zu gut und zu schade für solche Spielchen ist. Der Titel verweist auf mehrere Erzählebenen, womit Walker seiner Zeit weit voraus ist: die des Zuschauers, der, vom Titel angezogen, nach Sensation giert; der ersten Erzählebene im Film (besagter Zuschauer bekommt auch das, was er will); der ersten Spiel-im-Spiel-Ebene (die Darsteller führen ein Theaterstück mit Namen "The Flesh and Blood Show" auf), sowie schließlich der zweiten Spiel-im-Spiel-Ebene (die Rückblende, die sich genau genommen um nicht anderes als 'Fleisch' und 'Blut' dreht und die Gegenwartshandlung motiviert. Nebenbei erhalten wir eine Shakespeare-Einführung. Was will man mehr?
Ähnlich ambitioniert Walker in seinen nächsten Filmen, House of Mortal Sin (exzellent besetzt mit Susan Penhaligon, Stephanie Beacham und Norman Eshley) und House of Whipcord – der erste nimmt die Verlogenheit von Moralaposteln aufs Korn, der zweite die des Justizsystems. Hintergrund dessen ist, daß exploitation-Filmer in GB nicht nur belächelt wurden (wie hierzulande), sondern bekämpft und geächtet. Der Pornographie-Vorwurf war schnell da und wurde auch schnell mit Gefängnis geahndet – und wir reden hier von ein bißchen Haut, nicht von Hardcore, Sodomie oder Päderastie. Eine gute Einführung in dieses Gebiet ist übrigens Martin Campbells Eskimo Nell. Walker schob einen Splatterfilm-Klassiker, den berüchtigten Frightmare, nach, und zwei vorzeigbare, gemäßigte Filme: Schizo und The Comeback, handwerklich sauber und spannend. Schizo beginnt etwas langsam, kommt dann aber immer mehr auf Touren und strebt einer verblüffenden Auflösung entgegen. Im Verlauf des Films fragt man sich oft, wie Autor McGillivray diese Vorgänge logisch erklären will, aber es gelingt. Wiederholtes Ansehen verkraftet der Film nicht so gut, das reichlich aufgetragene Filmblut wirkt dann recht selbstzweckhaft. Die Fotografie von Peter Jessop ist wie immer kompetent: Jessop schafft es selbst bei Bildern mit vergleichsweise üppiger Ausleuchtung, eine bedrohliche Atmosphäre zu schaffen.
Austins Virgin Witch, eine recht voyeuristisch angelegte Geschichte um zwei junge Frauen, die auf ein einsam gelegenes Landgut gelockt werden, um dort an einer Satanistenzeremonie teilzunehmen, ist auf den ersten Blick nur die Fortsezung der Playboy-Session der Michelle-Schwestern, aber halt: Austin versteht durchaus, eine Atmosphäre der Ungewißheit und des Schreckens zu erzeugen und seine Darsteller (Patricia Haines, Keith Buckley, Neil Hallett) kompetent agieren zu lassen. Der Pioniergeist der frühen 70er Jahre, in dessen Sinne neue Grenzen des Zeigbaren ausgelotet werden, ist in vielen Einstellungen spürbar, wobei niemals auf Geschmacklosigkeiten zurückgegriffen wird. Die minimalistische, unheimliche Musik ist ein weiterer Pluspunkt. House of the Living Dead kann sich nicht ganz entscheiden zwischen Rebecca, The House of Usher und Frankenstein. Das Ergebnis ist eher interessant als überragend, ein paar bessere Schauspieler wären mit Sicherheit hilfreich gewesen.
Kellys The Beast in the Cellar macht keine großen Wellen. Von anderem Kaliber ist Night Hair Child, ein gelungener Psychothriller, im wesentlichen ein Drei-Personen-Stück, der den Machtkampf zwischen einer jungen Frau und einem Kind um die Gunst eines Schriftstellers behandelt. Die typische 70er Jahre-Musik von Stelvio Cipriani erhebt NHC endgültig über den Durchschnitt. Der Film kursiert als NTSC-Video unter dem Titel What the Peeper Saw, ist jedoch in 7 Szenen gekürzt, worauf die Anbieter ruhig mal hinweisen könnten. Das kanadische Video gleichen Titels ist angeblich vollständig, aber sehr selten. Eine synchronisierte Fassung lief unter dem Titel Der Zeuge hinter der Wand auf Sat 1, im Kino als Diabolisch.
Die vier letztgenannten Filme machen deutlich, das gothic horror in allen seinen Spielarten nicht nur eine ökonomische Notwendigkeit, sondern bewußte Traditionspflege war. Das Motiv der unheimlichen Vorgänge in einem abgelegenen Landhaus zieht sich als roter Faden durch den Thriller britischer Herkunft (siehe auch Walker, Larraz, Reid).
Hayers' Assault hat eigentlich nur eine schreckliche Szene ("All together, girls!") und ist sonst ein Musterbeispiel für einen flott und lustvoll inszenierten Film mit einprägsamen Figuren und solider Handlung. Wieviel davon der Vorlage bzw dem in seinen TV-Folgen oft recht lustlos agierenden John Kruse zuzuschreiben ist, muß erstmal offenbleiben. Natürlich sieht man diesem Film seine 30 Jahre Alter an: Frauen sind eigentlich nur dazu da, um sich überfallen oder sich retten zu lassen.
James Kenelm Clarkes The House on Straw Hill/Exposé ist vielleicht der beste britische exploitation-Film. Wer kann eine Besetzung schlagen, die aus Linda Hayden, Udo Kier und Fiona Richmond besteht?


Literatur:
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